Im Krisenfall kann man den Notruf auf der Brust tragen oder auf dem Rücken. Oder man dreht den schwarzen Bleistift mit der schwarzen Gummikappe um. Da steht der SOS-Satz auch. Und wenn man die Fondation Beyeler verlässt, dann meldet sich noch im Park die SMS schwarz auf rot: «Protect me from what I want.» Erstformuliert hat das Hilfsbegehren die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer. Damals, Ende der siebziger Jahre, hatten ihre Aufrufe noch Plakatformat und hingen oder klebten an den Wänden. Und die Leute auf der Strasse gingen vorbei und dachten sich was oder dachten auch nichts. Als dann der Public Art Fund anbot, die elektronischen Anzeigentafeln am Times Square zu benutzen, musste das Publikum aufschauen, und eine neue Kunstform war geboren. Niemand geht mit fliessenden Schriftbändern so elegant um. Niemand lässt die poetische Software von flinken LED-Birnchen so fehlerfrei verarbeiten. Niemand taucht die Botschaften in so bengalisches Blau und so honigweiches Gelb und so geheimnisvolles Rosa, dass man das Lesen vergisst und nur darauf wartet, dass jetzt im Galeriedunkel die Sonne aufgeht. Hans-Joachim Müller
https://www.nzz.ch/der_verwehende_klang_der_worte_und_saetze-1.4326071 (1.8.2018)