Die lichtbasierten Arbeiten von Hans Kotter weisen ein Pluriversum an optischen Möglichkeiten auf, die die Grenzen des Raumes aufbrechen und ihn auf materieller und immaterieller Basis erweitern. Lichtobjekte in dunklen Raumgefügen definieren Wahrnehmungsmuster von Farbe und Spektralformationen in wechselnder Intensität, wodurch es dem Künstler gelingt, architektonische Grundparameter in Bewegung zu setzen. Kotter erzeugt durch seine Objekte illusionäre Welten, die nicht nur die physikalische Dimension von Licht ausloten, sondern in technisch ausdifferenzierten Materialkombinationen die Wahrnehmung der BetrachterInnen steuern.
Jedes von Kotters Kunstwerken versucht, nicht nur den gegebenen Umraum sowie vor allem auch den Innenraum des jeweiligen Objektes neu zu definieren und auf Basis lichtgenerierter Strukturen zu verändern. Lichtkörper werden zu Raumkörper, die als Chimären die technischen Bedingungen an die Vorstellbarkeitsgrenzen des Sichtbaren drängen und die jeweiligen Kunstwerke zu wissenschaftlich durchdachten Apparaturen werden lassen. Kotter übernimmt dadurch die Definitionsmacht über den jeweiligen Raum und die ihm zugrunde liegenden Parameter, bei denen Licht als Ausgangspunkt einer künstlerisch analytischen Raumberechnung dient. Der Künstler überführt Momente der elektromagnetischen Strahlung in das Sichtbarkeitsfeld des menschlichen Auges und fordert dieses zur Überprüfung von meist nur schwer kalkulierbaren Formationen visueller Darstellungsmodi heraus. Die Unmittelbarkeit der Wahrnehmung ändert sich vorwiegend nach der Position der BetrachterInnen, in manchen Fällen gibt der Künstler sogar den genauen BetrachterInnenstandpunkt vor, um die Kongruenz von Licht und Raum in optimaler Übereinstimmung erfahren zu können. Was Kotter demonstriert, ist nicht bloß Ausdruck künstlerischer Überlegungen, sondern das Resultat einer ausgeklügelten Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten elektromagnetischer Wellen und der Wellenwirkung, die aufgrund der lichtkünstlerischen Bewegung in, um und an den Objekten ins Treffen geführt wird. Möglichkeiten einer wellendynamischen Verbreitung farbtechnischer oder schlicht und einfach einer vermeintlichen „weißen" Lichtevaluation stehen im Zentrum der Anschaulichkeitsverhältnisse, die die Wirkung der Objekte in ihrer Singularität oder mehrfach im Raum angeordnet definieren. (...)
Walter Seidl