Vier Jahre Vorbereitungszeit nahm das Ausstellungsprojekt in Anspruch, mit dem der 53-jährige Gerhard Merz die Summe seines künstlerischen Denkens und Schaffens zieht. Seinen „Kulminationspunkt“ findet dieses anspruchsvolle Vorhaben, das von der Expo gefördert wurde, in der Lichtarchitektur eines Pavillons, der auf der Plattform des stillgelegten Hauptgüterbahnhofs von Hannover steht und aus der dämmrigen Halle wie ein gleißender Schrein in die Stadt hinausstrahlt. Diese ungewöhnliche Erscheinung veranlasst besonders in den dunklen Abend- und Nachtstunden zufällig vorüberkommende Autofahrer anzuhalten und das Kunstwerk spontan zu besichtigen. Merz selbst nennt den Pavillon „ein Endspiel“, da sich kaum je wieder die Gelegenheit bieten wird, Vergleichbares zu realisieren. Diese völlig zweckfreie, autonome Architektur besteht aus Glas und Aluminiumleisten und misst 42 x 18 Meter bei 3,60 Höhe. Die Konstruktion gliedert sich in einen nicht einsehbaren, zentralen Lichtkubus aus Milchglasscheiben, eine Art Cella, und zwei flankierende, transparent verglaste Korridore, die über die offenen Stirnseiten zugänglich sind. Die ausgewogenen Proportionen ergeben sich überraschenderweise primär aus technischen Gegebenheiten, dem größten lieferbaren Standardformat für Industrieglas von 6 x 3,20 Metern. Das eigentliche Gestaltungsmaterial des Baus bleibt jedoch immateriell. Das Licht von über 7000 Leuchtstoffröhren überströmt den Pavillon mit blendender Helligkeit. Lichtbänder markieren die Bahnhofsfassade, schweben über dem gläsernen Gehäuse und durchziehen seine seitlichen Korridore. Die fast schmerzhafte Helligkeit verwandelt den Raum in und um diese extrem kühle, rationale Architektur in ein Energiefeld, in dem der minimalistische Bau zum Zeichen wird ...
https://www.kunstforum.de/artikel/gerhard-merz-4/ (18. 9. 2018)