Mario Merz, 2003
Mario Merz: Ziffern im Wald
Sammlung Würth, Inv. 15607
Der renommierte italienische Künstler Mario Merz, einer der wichtigsten Vertreter der arte povera, hat sich für sein Kunstwerk gezielt den Mönchsberg ausgesucht. Nahe dem Museum der Moderne liegt das Werk, in der Senke neben dem Wasserturm, halb versteckt hinter Bäumen und Büschen und schafft besondere Bezüge zum Aussichtspunkt über die Stadt. Merz präsentiert sein Werk in der für ihn typischen Form des Iglus. Dieses besteht aus zwölf gebogenen Edelstahlrohren, alle matt gebürstet, sieben Meter hoch, auf die der Künstler insgesamt 21 Neonzahlen verteilt hat, die nachts über der Stadt leuchten.
Die Konstruktion wirkt überraschend und geheimnisvoll. Sie ist allseitig offen und fügt sich sehr harmonisch in die Landschaft ein, eine perfekte Symbiose von künstlerischer und natürlicher Kreation. Die „Ziffern im Wald“, so der Titel, greifen das Zahlensystem des mittelalterlichen Mathematikers Fibonacci auf, der darin den Gradmesser für die Geschwindigkeit sich fortpflanzender Kräfte erkannte. Die nächst höhere Zahl in der Reihe ist jeweils die Summe der beiden vorangehenden, also: 1 + 1 = 2, 1 + 2 = 3, 2 + 3 = 5, 3 + 5 = 8, 5 + 8 = 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377, 610, 987, 1.597, 2.584, 4.181, 6.765,10.946. Die gleichsam aus den Stahlbögen sprießenden Ziffern versteht Mario Merz im Sinne des Wachstums von „Blättern“, im Sinne eines ewigen, unendlichen Werdens.
„Ziffern im Wald“ ist ein Werk, mit dem Mario Merz auf sensible Weise die Widersprüchlichkeit von Lebenswelt, Arbeitswelt, Empfindung und Rationalität symbiotisch vernetzt. Der Merzsche Kunstbegriff versteht sich als Spiel der Kräfte, die nach den Prinzipien der ratio (Fibonacci), der Schwerkraft, der Ästhetik, der Emotion sowie der Natur funktionieren und unter den transparenten Stäben symbolhaft gebündelt erscheinen. Das begehbare Iglu von Mario Merz gewährt im ersten Moment nicht den gewohnten Schutz einer Behausung. Dennoch vermittelt sich dem Besucher innerhalb des Iglus eine andere Stimmung als außerhalb – manche sprechen von Magie.
Der Betrachter des Kunstwerks scheint einem Geheimnis gegenüberzustehen, das in der Hülle des Iglus schlummert. Dieses Rätsel verbirgt sich nur auf den ersten Blick in dem nachvollziehbaren mathematischen System des italienischen Gelehrten Fibonacci: die ratio als Ordnung in der Natur. Merz konfrontiert den Betrachter mit einer neuen Wirklichkeit, die es zu erkunden und weiterzudenken gilt.
http://salzburgfoundation.at/walk-of-modern-art/mario-merz-2003/
(16.02.2019)