Gyula Kosice
Estructura lumínica Madí 6 (Lumineszierende Madí-Struktur Nr. 6)
Gyula Kosices Estructura lumínica Madí 6 (1946) ist eine der ersten Skulpturen, in denen das Element Neon vorkommt. Zwar war es schon länger üblich, Neonröhren in der Werbung und Beschilderung einzusetzen, doch in diesem Werk macht Kosice sie sich für künstlerische Zwecke zu eigen und schafft eine abstrakte Komposition, die mittels des negativen Raums ein Muster aus miteinander verschränkten geometrischen Formen bildet. Die dynamischen Formen laden den Betrachter ein, zwischen den Zeilen zu lesen und eine aktive Rolle bei der Konstruktion des Sinns zu spielen, statt einfach nur das Zeichen zu betrachten. In anderen Ländern gab es Neonzeichen schon seit Längerem, doch in Kosices Wahlheimat Buenos Aires waren sie erst seit kurzer Zeit Teil des Stadtbildes. Die Nacht, die zuvor eine dunkle Informationswüste gewesen war, wurde dank dieses technologischen Durchbruchs buchstäblich in Licht getaucht. Mit seiner Kunst feierte Kosice das Hinübergleiten der traditionellen Kultur in dieses neu angebrochene technologische Zeitalter.
1946 gründete Kosice die Gruppe Madí, die in Buenos Aires angesiedelt war, aber Kontakte in Paris, Kuba und ganz Südamerika hatte, und deren Ziel es war, die Gesellschaft mittels der Kunst zu verbessern. Kosice glaubte, dass die Anwendung rationaler Prinzipien auf die Kunst einen Zustand herbeiführen könnte, in dem die Gesellschaft rationale und spirituelle Werte gleichermaßen einbeziehen könne. Indem er für Estructura lumínica Madí 6 die neueste Kommunikationstechnologie einsetzte, folgte Kosice den Zielen der Madí-Bewegung, die den Betrachter sowohl effizient als auch auf ästhetische Weise einbinden und in ihm sowohl moderne als auch rationale Gedanken auslösen wollte. Die blaue Farbe sollte ihn zu transzendentalem Denken inspirieren, die wechselseitig miteinander verbundenen geometrischen Formen hingegen den universellen und logisch denkenden Betrachter ansprechen.
Megan Hines