Ihre Nebel- und Dampfskulpturen beziehen sich gleichermaßen auf asiatische Landschaftsmalerei, nordamerikanische Land-Art und Landschaftsarchitektur. Die 1933 in Sapporo geborene Künstlerin ließ, anlässlich der Weltausstellung 1970 in Japans zweitgrößter Stadt Osaka, ein Wasserdampfgerät entwickeln, das Nebel so stark produzierte, dass die örtliche Feuerwehr von einem Brand ausging.
Kunst und Technologie gehen ein bedeutungsvolles Beziehungsgeflecht ein. Die Technologie schafft überhaupt erst die Voraussetzung der künstlerischen Umsetzbarkeit.
Wasser wird mit hohem Druck versprüht. Durch spezielle Nebeldüsen des in der Schweiz entwickelten „TheFogSystem“ wird Wasser in kleinste Tröpfchen zerstäubt. Durch die Übersättigung der Luft mit Feuchtigkeit kondensiert das Wasser und wird als Nebel sichtbar. Windverhältnisse, Temperatur und die relative Luftfeuchtigkeit der Umgebung bestimmen die Intensität der Nebelbildung. Die feinen, mikroskopisch winzigen Wassertröpfchen ziehen je nach Witterungsbedingungen als Schwaden und Wolken von dannen und lösen sich schließlich auf. Die amorphen, zeitlich begrenzten „Skulpturen“ sorgen für stimmungsvolle Bilder, mittels der Simulation eines Naturphänomens.
Für Nakaya ist die Nebel- und Wolkenskulptur allerdings weit mehr als technische Raffinesse. Ihr kommt es auf die Inhalte, Bezüge und besonders auf interkulturelle Brücken an. Ihre poetischen Titel und Kommentare zu den Arbeiten beweisen eine Nähe zur Literatur. Werke wie „Earth Talk“ (1976), „Tales of Ugetsu“ (2008), „Cloud Forest“ (2010) und „Fog over Asuka breathes with ancient life“ (2011) zeugen davon.
Die Zusammenarbeit mit einem der „Dump Type“ -Gründer, Shiro Takatani, brachte sie in die künstlerische Auseinandersetzung mit Tanz, elektronischer Musik und experimentellem Theater. (...)
Bei all den technischen und der naturhaften Orientierung umfasst das Werk Nakayas zudem Nuancen eines größeren sozialen, psychologischen und informativen Systems.
- Die Nebelskulpturen sind soziale Orte des gemeinsamen Erlebens.
- Wasserdampf hat heilende Effekte und wirkt positiv auf Haut, Atmung und Seele. Das geht soweit, dass man in der Heilmedizin euphorische Zustände im Wasserdampf bei Patienten feststellen kann – das weiß die Künstlerin genau und bezieht sich auch in ihren Kommentaren darauf. Gepaart mit dem Ort des künstlerischen Geschehens findet die psychologische Relevanz ihren wörtlich verstandenen Niederschlag im Publikum.
- Als Tochter eines Physikers, Kristallologen und Meteorologen ist Nakaya nicht nur an den künstlerischen Thematisierungen von Wolken und Nebeln interessiert, sie verfügt auch über die entsprechenden Verbindungen zu den relevanten naturwissenschaftlichen Disziplinen. Das naturmimetische Verfahren beruht in ihrer Kunst auf Kybernetik, technischem Fortschritt und Simulationsvermögen. Claus Friede