Auf Fenstern, Böden und an Decken hat Tatsuo Miyajima im Laufe der letzten zwanzig Jahre seine Displays aus Licht emittierenden Dioden (LED) installiert und damit schuf er ein eigenes Genre zwischen Skulptur und Raum-Malerei. Das erste bedeutende Werk mit den digitalen Leuchtziffern des Japaners gab es 1988 auf der Venedig Biennale zu sehen, das sich Sea of Time nannte. In Venedig blinkten die LEDs in Blau, ansonsten sind Rot und Grün die favorisierten Farben. Die in den jeweiligen Installationen rhythmisch aufflackernden Zahlen wiederholen endlos aufblinkend Zahlenfolgen von 1 bis 9 beziehungsweise von 9 bis 1, wobei die Null als Symbol des Absoluten fehlt. Demzufolge kann es keinen Stillstand geben, was der buddhistischen Vorstellung von dem sich ewig Verändernden, dem im Fluss Seienden entspricht, aber auch der Prozesshaftigkeit der Fluxuskunst. Beidem sieht sich der japanische Künstler verbunden, der im Übrigen in den achtziger Jahren in Japan Performances realisierte. Und als Gegenaktion zu seinen technoiden Zahlen- Installationen pflanzte der 51jährige Künstler an verschiedenen Orten der Welt Abkömmlinge eines Kakibaumes, weil dieser den US Atombombenabwurf auf Nagasaki überlebte.
https://www.kunstforum.de/artikel/tatsuo-miyajima/ (30.10.2019)
Die Zeit der realen Erfahrung existiert neben der Zeit der Erinnerung, des Traumes und der Zukunft. Miyajima will die durch Zahlen visualisierte "wirkliche" Zeit und eine "imaginäre" Zeit ineinanderschieben und dadurch die vertiefte Erfahrung der "true real time" erreichen, dies eine Bezeichnung des Künstlers. Bereits jedes Gadget enthält die drei wesentlichen Grundprinzipien, die leitmotivisch benutzt werden: "Keep Changing, Connect with Everything, Continue Forever". Die verschiedenen "Units" bauen ein komplexes Beziehungswerk auf, das sich bei aller Transparenz der Anlage einer einfachen Einsicht entzieht. Darin zeigt Tatsuo Miyajima auf, dass das individuelle Element nur im grösseren Zusammenhang mit anderen, ähnlich strukturierten Einheiten seine wirkliche Dimension hat. Aus der kontinuierlichen Veränderung der lichthaltigen Grundelemente entsteht eine Gesamtdynamik, die - halluzinativ - mehr ist als die Summe der einzelnen Bewegungen. Sie führt unausweichlich zu einer Meditation über Natur und Charakter der Zeit, symbolhaft zu globalen gesellschaftlichen und kosmologischen Fragestellungen.
http://kunsthallezurich.ch/de/tatsuo-miyajima (30.10.2019)