Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo beginnen ihre Zusammenarbeit 2003 während des Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste. Neben Weisskopf und Smoljo sind der Filmemacher Adnan Hadzi und der Journalist Daniel Ryser als ständige «Komplizen» an der !Mediengruppe Bitnik beteiligt. Das Ausrufezeichen im Namen leitet sich aus einer Programmiersprache her, wo es eine Negation bedeutet. Interventionen, Einzel- und Gruppenausstellungen finden in der Schweiz und international statt (...).
Im Zentrum der Arbeit der !Mediengruppe Bitnik steht die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen, die sich mit der Digitalisierung zahlreicher Lebensbereiche stellen: so etwa Privatsphäre und Öffentlichkeit, Informationsfreiheit oder Urheberrecht. Den Kern der Arbeiten bilden Interventionen in digitale und urbane Räume und Kommunikationswege, die stets als Experimente mit offenem Ausgang angelegt sind. Sie finden in der Regel ausserhalb der Kunsträume und im Internet statt, sind jedoch meist verbunden mit installativen Ausstellungen, die die Aktionen in Echtzeit begleiten oder durch narrative Verdichtung des gesammelten Materials nachträglich dokumentieren.
Für ihre Aktion und Ausstellung Opera Calling! im Zürcher Cabaret Voltaire (2007) übertrug die Gruppe wochenlang mittels versteckter umgebauter Mobiltelefone Produktionen aus dem Opernhaus Zürich an zufällig ausgewählte Zürcher Telefonanschlüsse. Damit erlangte sie erstmals grössere Aufmerksamkeit, auch ausserhalb des Kunstdiskurses. Eine solche Breitenwirkung wiederholte sich bei späteren Aktionen. Die Überwachung und Verschränkung medialer und urbaner Räume ist Thema des ab 2008 mehrfach durchgeführten Workshops CCTV – A Trail of Images, in denen spazierend nach unverschlüsselten Signalen von Überwachungskameras gesucht wird. In der Aktion Surveillance Chess (2012) ersetzten Smoljo und Weisskopf das Kamerasignal mit der Einblendung eines Schachbretts und luden die Sicherheitsleute mittels angefügter Telefonnummer zu einer Partie ein.
In der als «Live Mail Art» bezeichneten Arbeit Delivery for Mr. Assange (2013) schickten sie ein Paket mit einer Kamera, die alle zehn Sekunden ein Bild ihrer Umgebung twitterte, an den Wikileaks-Gründer Julian Assange, der in der Ecuadorianischen Botschaft in London festsass. Tausende Online-Zuschauer verfolgten die 32-stündige Aktion, die in eine Grussbotschaft von Assange mündete.
Für die von der Gruppe co-kuratierte Ausstellung The Darknet ‒ From Memes to Onionland in der Kunsthalle St. Gallen (2014) entwickelte Bitnik den Random Darknet Shopper, eine Art automatisiertes, digitales Wesen, das im Darknet, dem Untergrund des Netzes, auf Einkaufstour ging. Es erwarb dort jede Woche einen zufälligen Gegenstand im Wert von maximal 100 Dollar in der bitcoin-Währung. Das Erworbene wurde an die Kunst Halle geschickt und dort Teil einer wachsenden Installation. Da unter anderem 10 Ecstasy-Pillen dabei waren, wurde die Installation nach der Ausstellung polizeilich beschlagnahmt und so auch zum Prüfstein für die Kunstfreiheit. Nach Konfiszierung der Pillen wurde der Rest der Installation ohne weitere juristische Folgen zurückgegeben. Im Kern der Aktion steht die Frage, wer handelt und wer verantwortlich ist, wenn Entscheidungen an automatisierte, algorithmische Systeme ausgelagert werden, wie dies von Online-Dating bis High Frequency Trading zunehmend geschieht.
Raffael Dörig, 2015
http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=12437082 (02.07.2020)