Biografie
Mit den meterlangen wirbelnden Seidenstoffmassen, die sie wie Wellen, Flügel, Blütenblätter einhüllten und unter denen ihr Körper fast völlig verschwand, schuf die Amerikanerin Loïe Fuller zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine völlig neue Form des Tanzes, die sich abwandte von der artistischen Präzision des klassischen Balletts und nur noch Bewegung und Verwandlung war. Sie erzählte keine romantischen Geschichten mehr, sondern schuf sinnliche Eindrücke. Ihre Tänze trugen so einfache Titel wie: Lotos, Schmetterling, Wolke, Feuer, und später noch abstrakter: Licht und Schatten, und wirkten wie leichtfüßige, fast zufällige Improvisationen, obwohl sie das Produkt höchster Präzision und körperlicher Schwerstarbeit waren (über vier Meter hoch ließ sie die Stoffe an armverlängernden Bambusstäben in den Bühnenhimmel steigen). Ihre technischen Innovationen, die sie sich zum Schutz gegen Nachahmerinnen in vielen Ländern patentieren ließ, revolutionierten die Bühnentechnik. Sie experimentierte mit reflektierenden Materialien (unter anderem mit Radium, obwohl ihre Freundin Marie Curie ihr wegen der Gefährlichkeit heftig davon abriet), Konstruktionen aus Spiegeln und Glasflächen und vor allem Beleuchtungseffekten, mit denen sie auf nie dagewesene Art feinste Farb-Licht-Abstufungen, Stimmungen und Raumtiefe erzeugte – eine “Magierin des Lichts”.
Loïe Fuller begann ihre Karriere in Amerika als Schauspielerin und Sängerin auf Boulevardbühnen. Doch ihr Traum war der Tanz und Paris. Dort trat sie ab 1892 vor allem in Varietés auf, für das Folies-Bergère wurde sie jahrelang zum Aushängeschild. Sie begeisterte die bedeutendsten Künstler ihrer Zeit, allen voran Toulouse-Lautrec, der eine Serie wunderbarer Lithografien nach ihrem Bild schuf. Ihr elegant schwingendes Kostüm wurde zum zentralen Ornament des aufkommenden Jugendstils, zahlreiche Designer (u.a. Lalique) verwandten Motive aus ihren Tänzen für Lampenfüße, Glasfenster, Gebäudeschmuck.
1900 zur großen Weltausstellung konnte sie sich in Paris ein eigenes Theater bauen lassen. Dort wie auch auf zahlreichen Tourneen durch Europa, Nord- und Mittelamerika präsentierte sie ihre Inszenierungen mit den jungen Tänzerinnen ihrer Pariser Tanzschule, und gab anderen Künstlerinnen Auftrittsmöglichkeiten – den bis dahin in Europa wenig bekannten japanischen Schauspielerinnen Sada Yacco und Hanako und später berühmten Kolleginnen der nachfolgenden Generation, wie Isadora Duncan.
Bei der Arbeit wie auch im Leben wurde sie von ihrer siebzehn Jahre jüngeren Partnerin begleitet. Gab Sorère (eigentlich Gabrielle Bloch) hatte sich schon als ganz junge Frau in die bereits berühmte Tänzerin verliebt; von 1898 bis zu Loïe Fullers (schrecklichem Brustkrebs)Tod, 1928, blieben sie zusammen. Gab teilte Loïes Interesse an dem neuen Medium Film, leitete die Dreharbeiten zu Le lys de la vie, nach einem Märchen ihrer gemeinsamen Freundin Königin Marie von Rumänien, und führte noch bis in die 1950er Jahre das Loïe-Fuller-Ballett.
Verfasserin: Andrea Schweers http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/loie-fuller/ (03.11.2019)