Wer den fotografischen Arbeiten von Hans Kotter unvorbereitet gegenübertritt, die zwischen Abstraktion und Materialität, Natürlichkeit und Künstlichkeit, technischer Perfektion und malerischer Anmutung changieren, wird unvermeidlich die Frage stellen, ob es sich dabei nicht um digital erzeugte oder verfremdete Erscheinungen handelt. Die Wahrheit ist, dass sich der Künstler mit seiner Kamera in selbstgebaute Glasprismen oder in Öltröpfchen hineinzoomt, um dort das verwirrend komplizierte Spiel von Lichtbrechung, -beugung und -reflexion zu beobachten. Bei geschickter Ausleuchtung mit verschiedenen Lichtquellen kommen im Inneren dieser transparenten Medien Formen von fremdartiger Schönheit und fulminanter Farbqualität zur Erscheinung. Schwer zu identifizierende Übergänge von lichtdurchdrungener Materie, farbigen Hintergründen und reflektierenden Oberflächen schaffen dabei Phänomene, die zwar den Eindruck des Körperhaften immer wieder erwecken, ohne ihn jedoch in fassbarer Gestalt einzulösen. So erscheinen pseudo-organische Gebilde, die wie paradoxe Pflanzen oder Landschafen aus Flüssigkeiten wirken und doch zugleich unstofflich, energetisch und im Innersten unbestimmbar bleiben. Diese Formen, die Kotter dann als lichtstarke Laserchrom-Abzüge oder als Diapositive in Leuchtkästen ausstellt, werden nicht nachträglich digital bearbeitet, sondern so präsentiert, wie sie sich seiner Kamera gezeigt haben.
Kotters Thema ist das Licht. Seine Arbeiten wenden sich stets dem Licht zu und spüren seinen unerwartetsten Wirkungen nach. Dabei bringt die Vielfalt der Lichtphänomene den Künstler dazu, sich über die gängigen Gattungsgrenzen hinweg unterschiedlichste Ausdrucksmöglichkeiten und immer neue Techniken, Materialien und Präsentationsweisen zu erschließen. Hans Kotter konstruiert nicht nur Leuchtkästen, sondern baut Objekte, gießt Fundgegenstände in transparentes Kunstharz, markiert ganze Räume mit Lichtpfaden aus Leuchtfolie und nähert sich mit der Fotokamera den subtilsten Lichterscheinungen. Seine Fotoarbeiten bezeichnet er im Gespräch als „Malerei mit Licht“ und weist darauf hin, dass er das Hilfsmittel der Fotografie nur auf Umwegen und eher zufällig für sich entdeckte. Kotter ist in erster Linie nicht Fotograf, sondern Lichtkünstler und als solcher unvermeidlich Raumkünstler, denn Raum erschließt sich uns visuell nur als lichthaltige Leere. Nicht nur seine Rauminstallationen, auch seine von Neonröhren erhellten Leuchtkästen zeigen eine stark in den Raum hineinwirkende und ihn verändernde Präsenz. Daher verwundert es nicht, dass er immer wieder Aufträge für großformatige Installationen im öffentlichen Raum bzw. in Firmengebäuden erhält.
Lodermeyer, Peter: KUNSTLICHT. Eine Annäherung an die Arbeiten von Hans Kotter.