„Remember you are an artist not a scholar“: Was bei anderen ein Freibrief für ein erratisches und spekulatives Denken sein könnte, zielt bei ihm darauf, den argumentativen Hierarchien einer sich stets überlegen wähnenden Rationalität ein Schnippchen zu schlagen, ohne nur ästhetisch plausibel sein zu wollen. Angesiedelt zwischen den Polen von Licht und Schatten, die im abendländischen Projekt des enlightenment, der Aufklärung, ebenso unheimlich walten wie im Schwarz-Weiß seiner Kohlezeichnungen, wendet er sich gegen die mörderischen Auswüchse einer rein instrumentellen Vernunft. Kentridge, Nachfahre litauischer Juden, betreibt eine Art Dialektik der Aufklärung aus postkolonialer Sicht. Sie findet ihr Kippmoment schon in jenem von Platon im Höhlengleichnis angelegten Aufstieg vom Dunklen ins Helle, der die Eliten eines idealen Staats dazu ermächtigt, die in ihrer Höhlenblindheit gefangenen Menschen notfalls mit Zwang zu befreien.
Text is only available in German https://www.tagesspiegel.de/kultur/william-kentridge-beim-festival-foreign-affairs-lob-der-unsicherheit/13853992.html (10.08.2021)