Zweifellos schreiten wir in heillosen Gegensätzen voran und gehen dabei in sie zurück. Die Siebenmeilenstiefel Hegels sind schon lange nicht mehr auf dem Weg des natürlichen Bewußtseins unterwegs. In Augenblicken verlieren wir gar jede Richtung und alles Streben, gar ideales Streben verzehrt sich in den Säuren und Blendmitteln des Scheins. Dieser kann nun mehr und mehr Wirklichkeit genannt werden. Ist es schon. Und die Kunst, betroffen sie auch – auch sie kein Erziehungs-, gar Erkenntnisbuch. Nur in seltenen Fällen immer noch Erfahrbares des Inneren, wenn die Macht der Phantasie über modische Fragmente siegt und ihr das abgelegen Unmögliche vorschwebt, das ferne Dissonantische. Einer der Sätze des Igitur lautet: »Ich hole das Wort hervor, um es wieder einzutauchen in seine Vergeblichkeit«. Von diesen Widersprüchen handelt das Werk von Gerhard Merz. Das Schweigen ist ihm inhärent, der leere Raum und jene Klippe des Absoluten bauen sich in ihm auf, aber auch das ohne Logos auszukommende Nichts als Widerstand. Die Nähe zur Dichtung Mallarmés - welch besseres Laboratorium könnte ein Künstler aufsuchen? Die neue Berliner Arbeit von Gerhard Merz, der er den Titel »Château de la Pureté« gegeben hat, ist die Form einer aus notwendiger Zurückgezogenheit, Wittgensteinscher Strenge und auch über alte und neue Scherben von Richtfesten und tatsächlich gebautem erst zu gewinnenden Aneignung der Reinheit. Darin enthalten am entschiedensten das Lernmotiv der Vollkommenheit, doch nur als Traum, weil nicht einlösbar, und doch Ziel. Das flüchtige Aufscheinen von Gelingen und Mißlingen. Es ist das Scheitern und doch Ziel, das zur großen Metapher wird.
In einem grandiosen Aufsatz bespricht Karlheinz Stierle das Berliner Werk erschienen zur Ausstellung. Ich habe dieser profunden Analogie nichts von Bedeutung hinzuzufügen. Dieses Bild eines »Schlosses der Reinheit«, Macht der poetischen Imagination, sowohl physisch wie immateriell. Wir getrauen uns zu sagen, daß auch diese Imagination Wirklichkeit ist. Über der Baumgrenze, über Geröll und altem Geschiebe fremd dort die Architektur von Gerhard Merz. Mit welcher Sprache sucht man sie auf? Diese schroffe Setzung. Ein Bauwerk, so fern und manchmal doch nah, das Reinheit und voraussetzende Entdinglichung in Widerstreit setzt. »Weil alles«, so Mallarmé, »was man der Idealität als Gefährt oder Behausung anbietet, ihr widerspricht.« Dort oben, wo oben eigentlich? Keine Farben. Himmelslicht. Im Inneren das einst kostbare Eisenoxyd, Remanenz von Erde. Was auf diesem Plateau spricht ist vielleicht nur der Wind, der farblose Prunk des Windes, der sich an der Außenhaut reibt und die Schönheit bricht.
https://www.galeriebastian.com/ausstellungen/gerhard-merz-chateau-de-la-purete/ (17.09.2018)